Eine gigantische Eismasse in der Antarktis steht kurz vor dem Abbrechen: Satellitenbilder der europäischen Weltraumbehörde Esa zeigen, dass ein seit langem beobachteter Riss im Larsen-C-Schelfeis nur noch 13 Kilometer von der Eiskante entfernt ist.
Der Eisgigant nehme Fahrt auf, schreibt der britische Leiter des Antarktis-Projekts Midas, Adrian Luckman, auf Twitter: «Er bewegt sich unaufhaltsam zum Kalben.»
Wann der Koloss sich vom Schelfeis löst, können Forscher nicht genau vorhersagen. «Es kann sein, dass es heute passiert oder noch ein oder drei Monate dauert», sagte Daniela Jansen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.
Der Eisklotz wird mit rund 5000 Quadratkilometern doppelt so groß sein wie das Saarland. Nach Angaben des AWI wird er zu den fünf größten Eisgiganten der vergangenen 30 Jahre zählen. «Wenn er sich gelöst hat, wird es keine zwei Jahren dauern, bis er vollständig geschmolzen ist», so Jansen. Eine Gefahr für Menschen oder für die Schifffahrt besteht demnach nicht.
Schelfeise sind auf dem Meer schwimmende Eismassen, die von Gletschern gespeist werden und mit ihnen noch verbunden sind. Dass davon Eisberge kalben, ist ein natürlicher Prozess. Im Januar war der Riss im Schelfeis Larsen C schon 175 Kilometer lang, dann tat sich zunächst nichts mehr. «Anfang Mai setzte sich der Spalt dann nicht an seiner alten Spitze fort, sondern verzweigte sich», so Jansen.
Innerhalb weniger Tage wuchs der Riss um 17 Kilometer. Vor gut einer Woche verlängerte er sich um weitere 16 Kilometer und änderte die Richtung: Seine Spitze zeigt jetzt Richtung Meer. Die Wissenschaftler hatten diese Entwicklung erwartet. «Es gibt Vorzugswege, die Risse nehmen», erklärt die Wissenschaftlerin. »Das hat etwas mit der Spannung im Eis zu tun.»
Für die Forscher ist weniger der Abbruch des Eisberges spannend als die Entwicklung des Schelfeises im Anschluss. «Uns interessiert, ob die neu entstandene Front stabil bleibt oder sich immer weiter zurückzieht und das Schelfeis schließlich zerbricht», sagt Jansen. In den letzten zwei Jahrzehnten seien bereits sieben Schelfeise von insgesamt zwölf an der Antarktischen Halbinsel zerfallen oder stark zurückgegangen. Grund dafür sei vermutlich der Klimawandel, sagt die Glaziologin.