Armenien: Zehntausende protestieren gegen die Regierungspartei
- AFP, ERIWAN
- Apr 26, 2018
In Armenien erhöht die Opposition den Druck auf die Regierungspartei. In der Hauptstadt Eriwan folgten am Mittwoch erneut zehntausende Menschen einem Aufruf des Oppositionsführer Nikol Paschinjan und demonstrieren für einen friedlichen Machtwechsel. "Nikol, unser Ministerpräsident", skandierte die Menge zwei Tage nach dem Rücktritt von Regierungschef Sersch Sarkissjan, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Proteste blieben friedlich, die Polizei griff nicht ein.
Paschinjan rief Interims-Regierungschef Karen Karapetjan bei einer Kundgebung am Abend auf, "umgehend den Sieg unserer Revolution anzuerkennen". Sollte die regierende Republikanische Partei einen Kandidaten für die Wahl zum künftigen Ministerpräsidenten aufstellen, werde "das Volk das Parlament und die Regierungsgebäude umstellen", drohte er.
Bereits am Morgen hatten sich tausende Demonstranten auf dem zentralen Platz der Republik zu einer Kundgebung versammelt. Hunderte Polizisten und Spezialkräfte mit gepanzerten Fahrzeugen bezogen in der Innenstadt Stellung. Doch die Sicherheitskräfte griffen nicht ein.
Die von Paschinjan angeführten Demonstrationen richten sich gegen Sarkissjans Republikanische Partei, der auch Karapetjan angehört und die im Parlament die absolute Mehrheit innehat. Der Oppositionsführer hatte am Dienstag erklärt, er sei "bereit das Land zu führen" und forderte eine "vollständige und friedliche Machtübergabe". Karapetjan hatte daraufhin ein für Mittwoch geplantes Treffen mit dem 42-Jährigen abgesagt.
Eine Woche nach seinem Wechsel vom Präsidentenamt ins Amt des Ministerpräsidenten war Sarkissjan am Montag unter dem Druck tagelanger Massenproteste zurückgetreten. Die Demonstranten warfen dem 63-Jährigen vor, sich durch den Wechsel der Ämter praktisch eine verfassungswidrige dritte Amtszeit als mächtigster Mann der ehemaligen Sowjetrepublik zu verschaffen.
In seiner ersten öffentlichen Äußerung seit seinem Rücktritt rief Sarkissjan am Mittwoch zu "Frieden und Stabilität" in Armenien auf. Staatschef Armen Sarkissjan sprach mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in einem Telefonat über die Krise in Armenien. Die beiden Präsidenten forderten alle Parteien zum Dialog auf.
Die armenische Verfassung sieht vor, dass das Parlament innerhalb von sieben Tagen neue Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten nominieren muss. Eine Abstimmung könnte am 2. Mai abgehalten werden. Paschinjan hatte erklärt, er werde nur einen "Kandidaten des Volkes" akzeptieren. "Wir können der Republikanischen Partei nicht erlauben, weiter das Land zu führen", sagte er am Dienstag.
Die Opposition fordert zudem baldige Neuwahlen. Interims-Regierungschef Karapetjan zeigte sich am Mittwoch offen für vorgezogene Parlamentswahlen. Solch eine Entscheidung müsse allerdings von "allen politischen Kräften" des Landes getroffen werden.